Start-up-Mentoring – 6 Tipps für junge Gründer

 -  Die meisten Erfahrungen im Leben muss man selbst machen. Manchmal hilft aber auch der Rat eines erfahrenen Mentors. Unsere Unternehmensgründer Thomas Stümmler und Jens Reckendorf erinnern sich an die Herausforderungen der ersten Stunden und teilen ihr Know-how.

#1: Starten Sie in einer Branche, die gerade im Entstehen ist oder sich neu entwickelt.

Thomas: Wenn man es sich leicht machen will, sollte man nicht in einer festgefahrenen Branche einsteigen. Selbst, wenn es dort technische Veränderungen gibt, ist es ein unheimlicher Kraftakt, Alteingesessene auszuhebeln.

Jens: Die Erfahrung spielt hier eine große Rolle. Mit viel Erfahrung findet man sich besser in den festgefügten Strukturen zurecht. Wenn man gute Chancen haben will, muss man in eine Branche einsteigen, in der sich gerade alles verändert.

Thomas: Als z.B. die Apps aufgekommen sind, waren die Leute mit sehr wenig zufrieden. Sie waren schon begeistert, wenn auf ihrem Mobiltelefon irgendetwas lief. Heute erwarten sie etwas ganz anderes: ausgefeilte Sachen, tolle Grafik, neue Funktionen… Der Aufwand ist viel größer. Das ist der Punkt: Wenn ich in diesem Feld jetzt einsteige und auf dem Niveau mitspielen will, sind die Investitionen einfach zu hoch. Wenn ich mit etwas Neuem anfange, hat der Kunde noch keine Vorstellung von den Potenzialen. Dann kann ich mit etwas Kleinem viel erreichen.

 

#2: Seien Sie geduldig.

Thomas: Man liest manchmal von Leuten, die über Nacht reich geworden sind. Das ist aber die absolute Ausnahme. Wenn es normal wäre, würde es ja nicht in der Zeitung stehen. Wenn man ein Unternehmen gründet, muss man immer mit einer Durststrecke von ein paar Jahren rechnen, bis man die ersten wirklichen Erfolge erzielt. Darüber muss man sich vorher im Klaren sein.

Jens: Man muss sich überlegen, wie man das, was man umsetzen möchte, mit dem geringstmöglichen Aufwand erreicht. Zum Beispiel sollte man nicht das aufwendigste Produkt zuerst entwickeln, um dann herauszufinden, dass es keiner kaufen will. Stattdessen sollte man versuchen, möglichst schnell Marktfeedback zu bekommen.

 

#3: Lassen Sie es langsam angehen.

Thomas: Ich glaube, dass heutige Start-ups teilweise viel zu schnell Geld bekommen und damit viel zu schnell riesige Strukturen schaffen, die ihnen hinterher den Hals abdrücken. Das ist ein Problem. Die ersten paar Jahre hatten wir zum Beispiel nicht mal ein Büro. Wir haben erst die Schule beendet, angefangen zu studieren und das Unternehmen nebenbei aufgebaut. Das ist heutzutage total aus der Mode gekommen. Mein Tipp wäre: Macht‘s doch erst einmal nebenbei. Das hat zwei große Vorteile:

Erstens: Man hat als junger Mensch so viel Zeit neben der Schule und während des Studiums. Keiner kann mir erzählen, dass er nicht nebenbei eine unternehmerische Sache vorantreiben kann.

Zweitens: Wenn ich mir noch weitere Wege offenhalte, stecke ich mich nicht selbst in die Zwickmühle, sondern kann damit leben, wenn die Idee keinen Erfolg hat. Wir hätten damals vielleicht viel eher aufgegeben, wenn wir uns selbst unter Erfolgsdruck gesetzt hätten.

 

#4: Erzählen Sie am Anfang möglichst wenig Leuten von Ihrer Idee.

Jens: Am Anfang sollte man die Fallhöhe möglichste gering halten. Für sich selbst und für die Ideen, die man ausprobiert, damit man die Zeit hat, die man auch braucht.

Thomas: Ich habe es wirklich damals bewusst keinem auf die Nase gebunden, weil ich mich nicht selbst unter Druck setzen wollte. Sonst fragen alle ständig nach: „Na, wie läuft‘s denn bei euch?“ Man sollte zu Beginn alles aus dem Weg räumen, was einen davon abhalten könnte, am Ball zu bleiben, obwohl der Anfang enorm zäh ist. So entsteht keine Existenzangst.

Und wenn das Unternehmen schließlich eine gewisse Größe angenommen und man bereits Erfolge erzielt hat, kann man sich bewusst dafür entscheiden. Dann lässt man sich nicht mehr aus dem Tritt bringen. Die große Gefahr ist, dass man sich selbst unter Druck setzt und dann zu früh aufgibt.

 

#5: Wir haben alle einen freien Schuss – nutzen Sie ihn.

Thomas: Heutzutage ist es normal, dass 16-Jährige Apps programmieren oder einen Youtube-Kanal betreiben. Das ist doch gigantisch: Sie bekommen kostenlos ein riesiges Publikum, während man früher für 10 Sekunden Werbespot 50 000 Mark bezahlt hat. Wenn ich heute noch einmal in dem Alter wäre, würde ich das auf jeden Fall ausprobieren, und zwar aus einem einfachen Grund: Es ist wie ein Lottoschein. Jemand, der nicht auf den Kopf gefallen ist und ein paar kreative Freunde hat, hat hier nichts zu verlieren. Man muss eigentlich verrückt sein, das nicht zu probieren.

Früher musste man zuerst zur Bank und sich riesige Kredite besorgen. Es gab es noch nicht einmal eine Privatinsolvenz. Hätten wir damals Pech gehabt, wären wir 30 Jahre lang verschuldet gewesen. Deswegen: Wenn man sich selbstständig macht, dann auf jeden Fall, solange man noch jung ist. Vielleicht mit 20 Jahren.

Erstens hat man noch einen ganz anderen Enthusiasmus. Zweitens: Wenn jemand erst einmal Haus, Kind und Familie hat, ist er gezwungen, sich einen sicheren Job zu suchen. Und selbst, wenn es schief geht: Wenn man mit 22 Jahren pleite geht und Privatinsolvenz anmelden muss, ist man sechs Jahre später entschuldet. Dann ist man mit 28 da, wo alle, die studiert haben, auch sind. Man macht sich ja nichts kaputt. Das heißt, in den 20ern hab ich einen freien Schuss.

 

#6: Suchen Sie sich für Ihr Gründungsteam Leute, die anders sind als Sie.

Jens: In unternehmerischen Partnerschaften kann es Schwierigkeiten geben, wenn beide die gleichen Aufgaben übernehmen. Dann will immer einer dem anderen erzählen, wie man es besser macht. Wir beide sind persönlich sehr unterschiedlich, aber gerade deshalb funktioniert es.

Thomas: Technik ist Jens‘ Spezialgebiet. Hier verstehe ich die globalen Konzepte und kann etwas zur Produktstrategie beitragen, aber im Detail habe ich natürlich nicht den Durchblick. Auf der anderen Seite gibt es Dinge, die ich ganz gut kann, und die Jens eher nicht liegen. Das ergänzt sich ganz gut.

Ein paar Eigenschaften müssen natürlich übereinstimmen, z.B. eine gewisse ethische Grundeinstellung. Das Vertrauen muss da sein, sonst kann man keine Geschäfte machen. Und unterschiedliche Jobs erfordern unterschiedliche Charaktere: Jemand, der die Finanzen macht, muss ein bisschen ängstlich oder konservativ sein. Jemand, der im Vertrieb arbeitet, muss ein Übermaß an Optimismus haben, sonst steht er nicht jeden Tag wieder auf. Jemand, der in der Produktentwicklung ist, muss ziemlich detailversessen sein, usw.