Wenn der Prüfer ungerechtfertigt mit Schätzung droht

 -  Hinweise: Die folgenden Informationen basieren auf Praxiserfahrungen und sind größtenteils allgemein auf Registrierkassen anzuwenden, gelten also nicht für ein spezielles Kassensystem oder einen bestimmten Hersteller. Eine Ausnahme sind natürlich die konkreten Hinweise zu Vectron-Produkten. Es handelt sich nicht um eine Rechts- oder Steuerberatung. Sie sollten sich bei Problemen mit dem Finanzamt immer von einem Steuerberater und/oder Fachanwalt für Steuerrecht beraten lassen.

Seit es Registrierkassen gibt, kommt es immer wieder zu Manipulationen. Das passiert offenbar so häufig, dass es in vielen Staaten ein Thema für die Finanzverwaltung und oft auch für den Gesetzgeber geworden ist. Auf dieses Problem sind in Deutschland das BMF-Schreiben vom 26.11.2010 (Einzelaufzeichnungspflicht), das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (technische Sicherheitseinrichtung ab 1.1.2020 und Kassen-Nachschau ab 1.1.2018) und die Kassensicherungsverordnung (weitere Bestimmungen zur technischen Sicherheitseinrichtung) zurückzuführen. Wie viele Eingriffe des Gesetzgebers hat auch diese Entwicklung zu einigen Nebenwirkungen geführt.

Formelle und materielle Mängel in der Buchführung

Werden bei Betriebsprüfungen in bargeldintensiven Unternehmen größere Fehler in der Buchführung entdeckt, kommt es normalerweise zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. In diesen Fällen liegen eigentlich immer materielle und formelle Mängel vor.

Materielle Mängel sind einzelne Fehler wie z.B. falsch oder doppelt verbuchte Belege. Diese Fehler führen zu einer Korrektur, zu entsprechenden Mehrsteuern und Zinsen. Auch eine größere Anzahl dieser Fehler führt nicht automatisch zu einem Verwerfen der gesamten Buchführung. Wenn die Fehler offensichtlich mit System passieren, kann es natürlich zu einem Steuerstrafverfahren kommen.

Formelle Mängel sind systematische Fehler wie z.B. unvollständige bzw. fehlende Daten oder offensichtlich leicht veränderbare Daten (z.B. ein Kassenbuch in Excel). Gravierende formelle Fehler führen zu ernsthaften Zweifeln an der Richtigkeit der Buchführung. Diese kann dann vollständig verworfen werden und es kommt zur „Vollschätzung“.

Aus diesem Grund wird die Schätzungsbefugnis meist an formellen Mängeln festgemacht. Sie sind (vermeintlich) einfach nachzuweisen und wirken sich auf die gesamte Buchführung aus. In allen uns bekannten Gerichtsurteilen zur Kassenführung lagen formelle und gleichzeitig erhebliche materielle Mängel vor. Folgerichtig haben die Finanzgerichte auch die Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung bestätigt. Leider werden die in den Urteilsbegründungen formulierten Aussagen zu den formellen Mängeln immer wieder aus dem Zusammenhang gerissen und der Eindruck erweckt, jeder formelle Mangel berechtigt zu einer Schätzung. Da Finanzverwaltung und Finanzgerichte keine IT-Experten sind, werden die formellen Mängel allerdings nie genauer erläutert. Es kommt in Urteilen teilweise zu kaum nachvollziehbaren Aussagen, z.B. dass fehlende Programmierprotokolle ein formeller Mangel seien, ohne dass es aber überhaupt eine Definition dafür gibt.

Checklisten für formelle Mängel

Es kommt leider immer wieder vor, dass bei Betriebsprüfungen angebliche formelle Mängel der Kassenführung aufgelistet werden, ohne sich angemessen mit den Inhalten zu befassen. Dazu werden gerne Checklisten verwendet, die eine Vielzahl von abzuliefernden Unterlagen aufzählen, ohne aber zu erklären, was damit gemeint sein könnte. In einem Beispiel aus der Praxis wurde verlangt, folgende Informationen vorzulegen:

  • Änderungsprotokolle der Grundprogrammierung
  • Einrichtungsprotokolle der Grundprogrammierung
  • Freigabeprotokoll
  • Fehlerprotokoll
  • Programmieranleitung
  • Programmbeschreibungen/Programmrichtlinien
  • Programmierungsprotokolle
  • Testprotokolle
  • Betriebsanleitung

Dabei ist die Rechtslage eigentlich ganz einfach: Nach § 147 der Abgabenordnung sind neben den „Aufzeichnungen“ (also hier den Verkaufsdaten des Kassensystems) die „zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen“ aufzubewahren. Da Gesetzgeber und Finanzverwaltung keine Standards vorgeben, kann nur der jeweilige Hersteller definieren, welche Unterlagen erforderlich sind. Ein Betriebsprüfer kann im Einzelfall durchaus anderer Meinung sein, muss dann aber begründen, warum ihm ein Verständnis der Aufzeichnungen anhand der vorgelegten Unterlagen und Daten nicht möglich ist.

Was braucht ein Prüfer zum Verständnis des Vectron Fiskaljournals?

Für Vectron-POS-Kassensysteme sind ausschließlich die folgenden Informationen zum Verständnis der Einzelaufzeichnungen (in Dokumentation und Software als „Fiskaljournal“ bezeichnet) erforderlich:

  • Die Beschreibung des Aufbaus der exportieren Daten
  • Eine Bestätigung, dass eine geeignete Version der Vectron-POS-Software eingesetzt wird
  • Eine Bestätigung, dass das Fiskaljournal aktiviert wurde
  • Eine nachvollziehbare Auflistung aller programmierten Systeme

Mit diesen Informationen ist ein vollständiges Nachvollziehen der Einzelaufzeichnungen möglich. Jegliche Änderungen an Stammdaten und Parametern haben keinen Einfluss auf den Umfang der Aufzeichnungen. Die genannten Informationen und weitere Dokumente erhalten Sie von Ihrem Vectron-Fachhändler.

Drohung mit Schätzung? Wir empfehlen:

Bei pauschalen Drohungen mit Schätzung aufgrund angeblicher formeller Mängel empfehlen wir:

  • Nach Quellen in Gesetzen, Verordnung und BFH-Rechtsprechung fragen (BMF-Schreiben oder selbst erstellte „Merkblätter“ sind rechtlich nicht bindend)
  • Nach einer verbindlichen Definition der angefragten Daten fragen – alternativ nach Musterdokumentationen, die bundesweit akzeptiert werden
  • Schriftlich nachfragen, welche genauen Prüfungen zu welchem Zweck mit den Daten vorgenommen werden sollen
  • Schriftlich erläutern lassen, warum genau der formelle Mangel Anlass geben sollte, die sachliche Richtigkeit anzuzweifeln (BFH-Urteil vom 14.12.2011, XI R 5/10: „Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln.“)
  • Wenn ausschließlich angebliche formelle Mängel der Kassenführung moniert werden, sollte einer „Drohung“ nicht nachgegeben werden – es ist kein Fall bekannt, in dem es die Finanzverwaltung auch nur auf einen Finanzgerichtsprozess hätte ankommen lassen

Über den Branchenverband DFKA setzt sich Vectron für konkrete Vorgaben der Behörden ein, um hier endlich Rechtssicherheit zu schaffen. Bisher ist aber leider kein entsprechender politischer Wille erkennbar. Im Rahmen der konkreten Umsetzung des Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) zum 1. Januar 2020 wird sich das hoffentlich ändern.

Weitere Fragen oder Anmerkungen?

Wir freuen uns über Ihr Feedback zu diesem Thema. Kommen Sie gerne direkt auf uns zu oder wenden Sie sich an Ihren Fachhandelspartner.