„Die digitale Transformation ist alternativlos“
- Seit dem 1. Februar ist Oliver Kaltner Vorstandsvorsitzender der Vectron Systems AG. Lesen Sie in unserem Interview, was ihn antreibt, welche zentralen Herausforderungen er sieht, und welche Ziele er im und für das Unternehmen erreichen möchte.
Oliver Kaltner, Sie sind seit dem 01. Februar Vorstandsvorsitzender der Vectron Systems AG. Zuvor waren Sie hauptsächlich bei großen Playern. Wieso der Wechsel in ein vergleichsweise kleines mittelständisches Unternehmen?
Kaltner: Wenn man wie ich 20 Jahre in unterschiedlichsten Funktionen in Corporations wie Nike, Electronic Arts, Sony und Microsoft verbracht hat, dann gibt es im Kern nur zwei Optionen: Man bleibt 20 weitere Jahre auf Seiten der Corporations oder man stellt sich immer wieder neuen Herausforderungen und schöpft Motivation und Inspiration daraus, stetig Neues zu lernen und die erworbenen Fähigkeiten in anderen Branchen anzuwenden, Wissen zu adaptieren und Erfolg durch Veränderung zu generieren. Wir leben in einer immens spannenden und sich rasant verändernden Ära der Digitalisierung. Diese aktiv zu gestalten mittels zahlreicher neuer Technologien und Formen der Zusammenarbeit, empfinde ich als enormes Privileg und dies treibt mich maßgeblich an. Bereits mit meiner CEO-Funktion bei der Leica Camera AG habe ich einen bewussten Schritt in den Mittelstand gemacht. Vectron bietet mir nun die Chance, zusammen mit einem sehr agilen und professionellen Team, einen weiteren Mittelständler aus einer anderen Branche in die digitale Transformation zu führen.
Können Sie bereits etwas über Ihren Start im Unternehmen sagen?
Kaltner: Dank Google Search waren alle Mitarbeiter sehr gut vorinformiert über mich. Die Art und Weise, wie ich persönlich empfangen wurde, begeistert mich. Die Bereitschaft und Leidenschaft, die Firma konsequent voranzutreiben, bisherige Strategien in die Umsetzung und den Markt zusammen mit unseren Partnern in ein signifikantes Wachstum zu bekommen, ist von Tag 1 an erkennbar. Es gilt nun, die strategischen Weichenstellungen, die mir der bisherige Vorstand als gutes Fundament übertragen hat, noch stärker auf Marktpotentiale auszurichten, und mittels Fokus auf das Wesentliche, Agilität, Dynamik und Kundenorientierung dauerhaft für eine sichere und kraftvolle Zukunft der Vectron sicherzustellen. Die Gastronomiebranche steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Vectron muss ein führender Lösungsanbieter in der digitalen Transformation sein.
Der deutsche Mittelstand steht vor großen Herausforderungen. Zentrale Themen sind der Generationenwechsel und die bereits angesprochene digitale Transformation. Welche Herausforderungen sehen Sie bei Vectron?
Kaltner: Vectron hat eine großartige, ja fast einzigartige Ausgangslage: Hardware, Software und cloudbasierte Lösungen stammen aus einer Hand, wurden durch Vectron entwickelt. Unsere technologische Engineering-Leistung ist auf bemerkenswert hohem Niveau und wir sind längst dem Bild eines traditionellen Kassenherstellers entwachsen. Allein, damit gestalte ich die Märkte noch nicht. Unsere Digitallösungen müssen mithilfe unserer Vertriebspartner den Weg zu den Gastronomen, Bäckereien, Resellern, den Usern und Konsumenten finden. Die Analyse und Verarbeitung bestehender Kassendaten ist ein Schlüssel zum Erfolg im digitalen Zeitalter. Dies verpflichtet uns, unser Produkt- und Services-Angebot zu schärfen und unsere Partner mit auf die Reise zu nehmen. Ich arbeite seit vielen Jahren in Firmen, die die digitale Transformation im globalen Umfeld gestartet haben. Eines ist unumstritten: Wer die digitale Transformation ablehnt, dessen Geschäft ist nicht überlebensfähig. Die digitale Transformation ist alternativlos.
Was ist Ihre Vision für Vectron? Welche Ziele möchten Sie erreichen?
Kaltner: Vectron ist ein vollständiger Systemlösungsanbieter, der aus eigener Leistung heraus Hardware, Software und cloudbasierte Services im internationalen Markt anbietet. Das fundamentale Interesse von Partnern liegt im Herzen der Kasse, sprich der Vectron Business-Solution-Plattform: Daten! Deren Analyse, Auswertung und Nutzung verändert Warenwirtschafts- und CRM-Systeme in Gänze. Daraus ergeben sich völlig neue Geschäfts-, Kollaborations- und Monetarisierungsmodelle. Die Kasse als reine Hardware hat heute schon ausgedient. Wenn die Kasse dagegen vernetzt und intelligent digitalisiert ist, wird sie weiterhin für sehr gute Umsätze und Erträge sorgen. Vectron hat eine eindeutige Wachstumsstrategie. Wir wollen in bestehenden Märkten mittels Digitalisierung Marktanteile hinzugewinnen, neue Märkte und weitere Branchen für uns erschließen. Es gilt, bestehende Kernmärkte wie die Gastronomie aktiv zu unterstützen; z. B. im Bereich Kundenansprache, Kundenbindung und Nutzung von Daten zur Optimierung der Warenwirtschaft. Dies alles erfordert und ermöglicht ein digitalisiertes Kassensystem.
Welche Erfahrungen, die Sie aus Ihrer Tätigkeit für große Corporations mitbringen, können für Vectron nützlich sein? Und können umgekehrt auch Corporations von einem Mittelständler wie Vectron lernen?
Kaltner: Große Corporations sind nahezu perfekt in den Bereichen Organisation, Struktur und Prozessmanagement. Alle Abläufe werden ständig optimiert und nach Effizienzgesichtspunkten gestaltet. Hierin liegt viel Blaupause für mittelständische Unternehmen, die sich manchmal etwas schwertun, moderne Arbeitsweisen und Arbeitsstrukturen anzunehmen. Für mich ist beispielsweise nicht entscheidend, mein Team ständig vor Ort im Büro anzutreffen. Modernes, mobiles und flexibles Arbeiten schafft Freiraum für individuelles Talent, das sich wunderbar in Teamziele einpflegen lässt. Ebenso können wir von Corporations lernen, dass Satellitenstrukturen notwendig sind, um Talent für sich zu gewinnen. Es spielt keine Rolle, ob das Unternehmen in München, Hamburg oder Münster sitzt. Software-Entwickler sind an spannenden Projekten interessiert, für die sie aber nicht ständig den Wohnort wechseln. Daraus ergibt sich die Realität, dass Firmen Strukturen schaffen müssen, um Personen an verschiedenen Orten miteinander zu vernetzen.
Im Vergleich zu Corporations haben Mittelständler deutlich mehr Agilität und Geschwindigkeit – von der Ideenfindung über die Entscheidung bis hin zur Umsetzung. Im deutschen Mittelstand wird sehr gute Entwicklungsarbeit im Bereich Software und digitaler Services geleistet. Hiervon können die Corporations profitieren, deren Entwicklungsarbeit oftmals rein globaler Art ist, was lokale Aspekte meistens ignoriert und ausschließt. Die beiden Welten bedingen sich mehr, als allgemeinhin angenommen wird. Für beide gilt: Wer den Blick auf und für den Markt verliert, verliert Geschäft.
Wo sehen Sie die größten Potenziale? Wo bzw. wie kann Vectron weitere Marktanteile gewinnen?
Kaltner: Wir wollen in unserem Kernmarkt „Gastronomie und Bäckereien“ mittels unseres umfänglichen Angebots Marktanteile hinzugewinnen und die installierte Basis von derzeit über 200.000 Vectron Kassen in Kombination mit Software- und Digitallösungen deutlich ausbauen. Überdies sind wir in den deutschsprachigen Ländern und Benelux gut vertreten, doch liegen gerade in europäischen Ländern enorme Potentiale für uns, die wir sowohl mit Vectron als auch Duratec gewinnen wollen. bonVito, GetHappy, myVectron und posmatic stellen das umfassendste Service-Angebot in der gesamten Branche dar. Wir bedienen damit alle Plattformen von Linux und Windows bis zu Android und iOS. Auch hier gibt es nichts Vergleichbares. In der Zusammenarbeit mit Coca-Cola bei GetHappy gestalten wir täglich neue Ideen, um diesen Service weiter zu entwickeln und stetig zu optimieren. Die Technik ist stabil und läuft reibungslos. Diese Kooperation wird die Branche positiv verändern. Dass ich, basierend auf meinem Hintergrund und Netzwerk, auch noch weitere und neue Geschäftsideen einbringe, dürfte nicht überraschen. Vectron hat eine klare Wachstumsstrategie, die unsere gesamte Partnerlandschaft einschließt.
Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach der Fachhandelsvertrieb für Vectron?
Kaltner: In all meinen bisherigen Stationen habe ich den Fachhandel unterstützt und gefördert. Dies ist auch in meiner neuen Funktion ein klares Bekenntnis. Es stehen allerdings besagte tiefgreifende Veränderungen durch die Digitalisierung an. Diese Herausforderungen müssen wir in Chancen umwandeln. Wir werden unsere Fachhandelspartner mit auf die Reise nehmen und uns gemeinsam weiterentwickeln. Festhalten an traditionellen Geschäftsmodellen wird nicht funktionieren. Weder für unsere Fachhändler noch für Vectron. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Das Gute bewahren und das Neue angehen. Hierin liegt das Wachstum. Darum wird es gehen.
Welchen zeitlichen Rahmen haben Sie sich für die Umsetzung Ihrer Pläne gesetzt?
Kaltner: Es gibt durch die Fiskalisierung einen branchenspezifischen Zeitrahmen, der längst begonnen hat und spätestens bis Ende Dezember 2019 umgesetzt sein muss. Parallel gibt es die digitale Transformation, die stets mit der sogenannten Disruption einhergeht. Branchen und Geschäftsmodelle werden dabei immer von Playern attackiert, die nicht aus der Branche kommen. Siehe Automobilbranche, Banken- und Versicherungswesen. Die Gastronomie steckt bereits mittendrin. Online-Serviceanbieter vitalisieren den Markt. Doch schaffen diese auch partnerschaftliche Nachhaltigkeit zum Nutzen der Gastronomen und Reseller? Vectron gibt eben dieses Bekenntnis ab. Wir erwarten von unseren Partnern aber auch die Bereitschaft, sich zu verändern. Es gibt demnach keinen zeitlichen Rahmen, sondern die absolute Notwendigkeit, die Systeme und Geschäftsmodelle jetzt anzupassen, zu modernisieren und zu digitalisieren. Jeder Tag des Wartens lässt das Risiko, den Zug zu verpassen, ansteigen.
Das ganzheitliche Lösungsangebot von Vectron bietet enorme Chancen, das Geschäft in der Gastronomie wachsen zu lassen. Besser wir nehmen diese Chance zusammen mit unseren Partnern wahr, als dabei zuzusehen, wie andere Player das Geschäft übernehmen.
Zur Person: Oliver Kaltner (49) verfügt über langjährige Erfahrungen in der Consumer Electronics und IT-Industrie sowie über eine weitreichende Expertise in den Bereichen Product Management, Markenaufbau und Markenführung, Retail, Sales, Country Expansion, technologische Kollaborationen und Digitale Transformation. Zuletzt war er als CEO der Leica Camera AG tätig und verhalf der traditionsreichen Premiummarke für Kamera- und Sportoptik-Produkte zu nachhaltigem internationalen Wachstum sowie Umsatz- und Profitrekorden. Zuvor verantwortete Oliver Kaltner als General Manager und Mitglied der Geschäftsführung bei der Microsoft Deutschland GmbH erfolgreich das Consumer Geschäft und forcierte die Transformation zu einer Devices & Services Organisation. Weitere Stationen seiner beruflichen Laufbahn waren geschäftsführende und leitende Positionen unter anderem bei der Sky AG, Sony Deutschland GmbH, Electronic Arts GmbH und Nike GmbH.